Am 23. November fand die Ergebnispräsentation einer sehr interessanten Arbeitsmarktstudie zum Thema «Fachkräftemangel» statt, welche von HR Today und der Outplacement Firma von Rundstedt durchgeführt wurde. Dabei wurden knapp 1000 HR-Personen in der gesamten Schweiz befragt. Lina Bitzer, HR Managerin und GL von NewPlacement Academy war dabei und hat die wichtigsten Ergebnisse für Sie zusammengefasst.
Fachkräftemangel – woher kommt er?
Fachkräftemangel ist in aller Munde. Deshalb ist es Zeit für eine differenziertere Betrachtung. Woher stammt er? Pascal Scheiwiller, Rundstedt-CEO klärte auf.
Fachkräftemangel kann in 3 verschiedene Ursachen unterteilt werden:
Demografischer Fachkräftemangel: branchenübergreifend, langfristig vorherseh- und planbar
Struktureller Fachkräftemangel: betrifft einzelne Branchen, ist oft «hausgemacht», Marktversagen
Konjunktureller Fachkräftemangel: zyklisch, branchenübergreifend, vorübergehend. Wird eher als ein Arbeitskräftemangel wahrgenommen.
Während der demografische Fachkräftemangel dank Arbeitsimmigration, Produktivitätsgewinne und Mobilisierung von Müttern und ü65 Jährige weniger ausgeprägt ausgefallen ist als prognostiziert, bleibt der strukturelle Fachkräftemangel eine grosse Herausforderung in den Branchen MINT, Gesundheitswesen, Gastronomie, Logistik und qualifiziertes Handwerk.
In diesen Branchen sind die Rahmenbedingungen und Karrieremöglichkeiten für Arbeitnehmende oft weniger attraktiv und gleichzeitig sind die Ausbildungsanforderungen hoch. Zudem steigt das Marktbedürfnis in diesen Branchen, was dazu führt, dass nach wie vor ein akuter Fachkräftemangel herrscht.
Der durch Corona bedingte konjunkturelle Fachkräftemangel hat gemäss Expert/innen-Meinungen den Wendepunkt überschritten und wird sich voraussichtlich im 2023 normalisieren. D.h. konkret, dass Überkapazitäten abgebaut werden und sich der konjunkturelle FKM abschwächen wird.
In welchen Branchen und in welchen Rollen ist der FKM am höchsten?
Branchen | Rollen |
IT & High Tech (47%) Konsumgüter / Detailhandel (44%) Industrielle Produktion (34%) Gesundheitswesen (31%) Gastronomie & Tourismus (27%) | IT-Fachkräfte (77%) Management (55%) Fachliche KundenberaterInnen (53%) Top Management (46%) Forschung & Entwicklung (41%) |
Welche Kompetenzen fehlen oft bei KandidatInnen?
Der grösste spürbare Mangel besteht bei den technischen Fachkompetenzen (88%), dicht gefolgt von den Branchenkenntnissen (66%), den digitalen Kompetenzen (56%), persönliche und soziale Kompetenzen (49%), Verkaufen komplexer Leistungen (47%) sowie intellektueller Fähigkeiten (46%). Lediglich bei 30% fehlen die nötigen Fachdiplome, wobei nur bei ca. 6% das sehr stark spürbar ist.
Was tun Unternehmen bei Besetzungsschwierigkeiten?
Primär verlängert sich der Suchprozess (95%) und es werden Kompromisskandidat/innen eingestellt (79%). In 70% der Fälle werden die Anforderungen herabgestuft und in knapp ebenso vielen Fällen wird auf die Dienste von externen Vermittlern zurückgegriffen.
Was tun Unternehmen, um trotzdem Fachkräfte anzuziehen?
Die wichtigste Strategie ist, attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten (55%) sowie ein professionelles Employer Branding (53%). Auch ein internes Talent Pooling (24%) wird gerne genutzt. Events & PR (10%) und Active Soursing (Direktansprache) bei Mitbewerbern (13%) werden wesentlich weniger genutzt.
Welche Suchkanäle nutzen Unternehmen bei kritischen Profilen?
Die eigene Website belegt den Spitzenplatz (58%), weil da die eigene Unternehmenskultur, Marke etc. direkt aufgezeigt werden kann. LinkedIn und XING (43%) sind ebenfalls erfolgreich genutzte Social Media Plattformen, im Vergleich zu Facebook und Instagram mit nur 9%. Knapp dahinter mit 41% werden persönliche Netzwerke genutzt. Externe Stellenvermittler, Headhunter, Messen & Events werden nur von wenigen HR-Personen genutzt (7% - 13%).
Chancen für «kritische Zielgruppen» in der Schweiz
Mütter nach 10+ Jahren Mutterschaft werden plötzlich sehr wichtig für 22% der Unternehmen (und für 62% zunehmend wichtig)! Wow! Auch ü60 werden mit 42% zunehmend wichtig und sind es bereits für knapp 10%. Und Quereinsteigende werden für 30% zunehmend wichtig und sind es für ca. 5% der Unternehmen.
Auch die obere kritische Altersgrenze hat sich massiv nach oben verschoben. War sie in den letzten Jahren bereits auf ü45 gefallen, ist sie in der heutigen Zeit auf ü58 (48%) und sogar auf ü62 gestiegen (66%). «Nur» 30% der Unternehmen sehen ü55 als kritische Obergrenze und immerhin 33% der Unternehmen haben keine Alterseinschränkung mehr im Bewerbungsprozess!
Die Vorbehalte gegenüber Langzeit-Arbeitslosen (+2 Jahre) bleiben trotz Fachkräftemangel hoch (68%). 36% der Unternehmen sind kritisch bei einer Arbeitslosigkeit von mehr als 1 Jahr. Allerdings ist eine Pause von 6 Monaten praktisch kein Problem mehr.
Und was sind Ihre Salärvorstellungen?
Unternehmen sind in 43% der Fälle bereit, 5-16% mehr Lohn zu bezahlen, um den/die Wunschkandidat/in einzustellen.
Wenn jemand eine Bogenkarriere, d.h. in irgendeiner Form einen «Rückschritt» macht, sind 51% der Unternehmen bereit, eine von Bewerbenden kommunizierte Lohneinbusse von 5-16% als akzeptabel und glaubwürdig anzunehmen. Wesentlich kritischer werden Lohneinbussen von 16-30% angeschaut, weil die Befürchtung dann zu gross ist, dass die Bewerbenden bei der erst besten Gelegenheit abspringen.
Was heisst das nun für Sie?
Je nach Branche und Funktion haben Sie aktuell aufgrund der tiefen Arbeitslosigkeit gute Chancen, eine passende Stelle zu finden. Vorausgesetzt, dass Sie Ihre Argumentation insbesondere bei Branchenwechsel, Bogenkarriere und transferierbaren Kompetenzen glaubwürdig und nachvollziehbar sichtbar machen.
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